Im Rahmen der Tegernseer Woche
Barocksaal Tegernsee
29.09.2019, 19.30 Uhr
Ein Ensemble von seltenem Klangzauber bescherte dem Publikum des fast vollbesetzten Tegernseer Barocksaals einen Kammermusikabend höchster Güte. Das Esmé Quartett, dessen Name in altfranzösischer Form „geliebt“ oder „geschätzt“ bedeutet, spielte für die Konzertreihe „Podium für junge Solisten“ im Rahmen der „Tegernseer Woche“. Die vier jungen Musikerinnen aus Korea, Wonhee Bae, Violine, Yuna Ha, Violine, Jiwon Kim, Viola, und Ye-Eun Heo, Violoncello, an der Hochschule für Musik und Tanz Köln ausgebildet, spielten wie aus einem Guss, beseelt und meisterhaft, in vollendeter Klanggebung.
In seinen zwei Quartetten op.77 zeigt Joseph Haydn 1799 nochmal sein ganzes Kammermusikalisches Können, schließt ein Jahrhundert ab und lässt in die Zukunft der Streichquartettgattung blicken.
Das Esme´nahm im Streichquartett op.77 Nr.1 in G-Dur, die Eleganz dieser Musik auf, erfreute sich am leichten Marsch des Allegro moderato und seinen zahlreichen Ideen, den Stimmdialogen und den virtuosen Soli. Als eine Arie für Sopran und Bass gestalteten sie das romantisch vorausweisende Adagio, mit Entschlossenheit und Vorwärtsstreben das Menuetto mit seinem brausenden und wild tänzelndem Trio. Haydns Fantasie ließen die vier Musikerinnen immer wieder auch im Finalsatz aufblitzen, dessen komplexe Struktur mit Witz und Elan herauskehrend.
Frank Bridges Novelletten H 44 von 1904, drei kürzere Stücke im Schumann-Stil des englischen Komponisten, berührten mit zarter und bewegter Gestaltung im Andante moderato, mit dem Wechsel von Witz im raschen Spaß-Pizzicato und Dramatik im Presto. Ungeheure, faszinierende Klang-Intensität erstrahlte im abschließenden Allegro vivo.
Schuberts letztes Streichquartett entstand in nur 11 Tagen, nachdem sich Schubert von der Ergriffenheit und Bestürzung die ihm 2 Monate zuvor bei der Uraufführung Beethovens Streichquartett op. 130 erfasste, erholt hatte. Das Esmé Quartett spielte diese die Konventionen sprengende Musik mit überwältigender Wirkung. Ständiger Wechsel ist der Leitfaden dieses Werkes, und die dadurch entstehende Spannung zwischen Dur und Moll, lyrisch und dramatisch, bauten die vier Musikerinnen mit Hingabe und Raffinesse aus. Im Andante con moto erklang betörend das Klagelied des Cello, von plötzlichen Kulminationen unterbrochen, von sich wieder aufbauender Opern-Dramatik bedroht. Die schemenhaft hüpfende Musik des Scherzo gaben sie lebhaft wieder und das trügerische Wiegenlied des Trios mit sanfter Idylle. Beeindruckend arbeiteten sie mit dem Anschwellen und abschwellen des Klangs im Allegro assai, ein atemberaubender, präzise ausgearbeiteter Effekt mit dem die jungen Musikerinnen die dem Satz innewohnenden Emotionen und klanglichen Facetten in seinem unablässigen Drang offenbarten.
Gewaltiger, lang anhaltender Applaus zeugte von der Begeisterung des Publikums: Das Esmé Quartett bedankte sich mit Koreas Arirang, ein Volkslied das in vielen Fassungen existiert, hier berührend von Violinen, Viola und Cello gespielt.
Marcus Vitolo