Das Quatuor Tchalik verwöhnte in Tegernsee das Publikum des „Podium für junge Solisten“mit seinem ausgewogenen, feinsinnigen Klang, dem gemeinsamen Atmen in der Musik und seinem ernsten, konzentriertem Auftreten. Die seit ihrer frühen Kindheit gemeinsam musizierenden Geschwister Tchalik, Gabriel und Louise, Violine, Sarah, Viola, und Marc, Violoncello, erschufen auf der Bühne des Barocksaals eine Aura des edlen Wohlklangs, man spürte: Dies ist ihr höchstes Streben. Diesem jetzt schon erreichtem Ziel schienen sie bei allem phantastischem Können eine gewisse Lockerheit und eine Prise Glut unterzuordnen, was sicher dem noch so jungen Alter und der noch frischen Erfahrungszeit geschuldet sein mag.
Mozarts Streichquartett KV 589 in B-Dur nahm das Ensemble im 1. Satz Allegro mit Schwung, im Larghetto entfaltete sich die Cellostimme mit gesanglicher Hingabe, das Menuett gestalteten die vier Musiker getroffen in seiner Virtuosität und Kühnheit, und das finale Allegro assai rasch und lebendig jubilierend.
Schostakowitschs Streichquartett Nr.10, mit dem der Komponist seinen Kollegen, Freund und Widmungsträger Wainberg in der Anzahl der Quartettwerke einholte, gestalteten die Tchaliks als spannende und überraschende Musik. Freundlich schwebend das erste Andante, mit Vehemenz trafen sie die Tongebung des Allegretto furioso, als einen Kampf im ständigen Fortissimo, mit gehämmerten, aggressiven Akkordschlägen, dem dämonischen Klangbild starken Ausdruck verleihend. Im warmen, ruhigen Legato ließen sie das Adagio in Passacaglia-Form (der Bass wiederholt ständig eine Tonfolge) als versöhnliche Gegenpart erklingen. Sehr intensiv, das charakteristische rhythmische Ostinato-Hüpf-Motiv nie aus den Augen verlierend, spielten sie das
finale Allegretto in präzisem geschwisterlichem Gleichgewicht.
Ein monumentales Streichquartettwerk stand im 2. Teil des Konzerts auf dem Programm: Beethovens op. 132 in a-moll.
Ein Vierton-Motiv, ein vom Komponisten als Motto gedachtes Klangbild, leitet das Assai sostenuto-Allegro ein, und ertönt immer wieder im Laufe des Werkes. Dieser absoluten Musik begegnete das Tchalik Quartett mit konzentrierter Spiellust, unglaublichem Zusammenspiel, die dramatischen Themen nachempfindend, das Allegro ma non tanto in seiner gedämpften Stimmung treffend, dessen Trio in tanzender, ländlerischer Heiterkeit. Das Zentrum dieses Quartetts ist eindeutig das breit angelegte Adagio: als „Canzona di ringraziamento "(Dankgesang eines Genesenden) schuf es Beethoven nach ernsthafter Erkrankung, und griff auf die lydische Kirchentonart zurück. Als ein Gebet trafen die Musiker die Verinnerlichung dieser sakralen, an Renaissance-Chorwerke erinnernde Musik, in gesanglicher, spannender Nachdenklichkeit, die Stille der lauschenden Zuhörer beschwörend. Ein markantes Alla marcia, hymnisches, leidenschaftliches Spiel und eine glänzende, hurtige Coda schlossen virtuos aber nie unkontrolliert ab.
Dem begeisterten Publikum schenkten die vier Geschwister ein Kleinod: Nr.11 aus Dvoraks „Die Zypressen“, ein Klangerlebnis bildhafter Musik von Leichtigkeit und Zärtlichkeit.
Marcus Vitolo