Streichquartett Amaryllis

STREICHQUARTETT AMARYLLIS

Haydn, Frid, Beethoven

Barocksaal Tegernsee

19.09.2009, 19.30 Uhr

Vorbericht

Das deutsch-schweizerische Amaryllis Quartett wurde von Walter Levin, dem Primarius des LaSalle Quartetts, in Basel ausgebildet und studiert seit 2007 beim Alban Berg Quartett in Köln. Das Amaryllis Quartett sucht eine besondere Herausforderung in der Gestaltung von Programmen, die im Spannungsfeld zwischen den klassischen Streichquartett-Kompositionen und den Werken der Neuen Wiener Schule um Arnold Schönberg stehen. Programme mit dieser Leitidee gestaltete das Quartett bei der Biennale Bern, dem KulturGut Holzhausen und beim Internationalen Beethovenfest in Bonn. Hier eröffnete es im Beisein von Schönbergs Tochter Nuria Schönberg-Nono eine Ausstellung des Kunstmuseums mit Bildern von Schönberg. Die Wiederentdeckung heute vergessener Meisterwerke ist ein weiteres wichtiges Anliegen des jungen Quartetts. Sein besonderes Interesse gilt hierbei dem ungarischen Komponisten und Bartók-Schüler Géza Frid, dessen Streichquartette es 2008 bei CovielloClassics als Weltersteinspielung veröffentlicht hat. Außerdem ist die Aufnahme von acht der 16 Streichquartette des Schubert-Zeitgenossen und Violinvirtuosen Friedrich Ernst Fesca bei cpo in Vorbereitung. Aber auch für die Zeitgenössische Musik setzt sich das Quartett ein und brachte u.a. Werke des Berliner Jazzcellisten und Komponisten Mathis Brun und des Esten Eino Tamberg zur Uraufführung. In diesem Jahr stehen die Premieren von Streichquartetten der Basler Komponistin Heide Baader-Nobs und des Hamburger Komponisten Wolfgang Andreas Schultz an. Das Amaryllis Quartett spielt regelmäßig in Konzertreihen und auf Festivals in Deutschland, der Schweiz und dem europäischen Ausland; dazu zählten Auftritte in der Stuttgarter Liederhalle, beim Lucerne Festival, beim Festival „Mecklenburg-Vorpommern“, bei der Società del Quartetto di Milano und bei der Schubertiade Barcelona. Außerdem rief das Quartett seine eigenen Konzertreihen in der Laeiszhalle Hamburg und im Konzerthaus Solothurn ins Leben. Die Organisation ProQuartett Paris ermöglichte dem Ensemble im Sommer 2007 in Zusammenarbeit mit ACCR eine einmonatige residency in der Provence und lädt es regelmäßig zu Konzerten nach Frankreich ein. Beim Südwestdeutschen Rundfunk SWR trat das Amaryllis Quartett in der Sendereihe „50 Meisterwerke“ auf, wo es zusammen mit Walter Levin Weberns Fünf Stücke für Streichquartett op. 5 vorstellte. Für Radio Berlin Brandenburg, im Wissenschaftskolleg Berlin und in der Tonhalle Zürich gestaltete das Quartett ebenfalls mit Walter Levin Lecture Recitals über das zweite Streichquartett von Johannes Brahms. Im April 2005 gewann das Amaryllis Quartett den 1. Preis beim Internationalen „Charles Hennen Concours“ in den Niederlanden. Im vergangenen Jahr folgten der Irene Steels-Wilsing-Preis beim „Premio Borciani“ in Reggio Emilia/Italien und gleich zwei Preise beim Internationalen Streichquartett-Wettbewerb TROMP in Eindhoven/Niederlande. Die dortige Jury begründete die Vergabe des Pressepreises mit den Worten: „Aufgrund ihres kultivierten Klangs und ihres tiefen Verständnisses dafür, was es bedeutet ein Quartett zu sein, sind sie nun bereit für eine Karriere.“ Künstlerische Anregung erhielt das Amaryllis Quartett durch Meisterkurse beim Artemis Quartett und in gemeinsamen Konzerten u.a. mit Barbara Westphal, Albrecht Breuninger, Francois Benda, Dimitri Ashkenazy, Jens Peter Maintz, Patrick Demenga und dem Schauspieler Christoph Bantzer.

Nachbericht

Ein begnadetes, junges und zu den Großen der Deutschen Kammermusik-Kultur dazugehöriges Ensemble : so offenbarte sich das Amaryllis Quartett dem Publikum des “Podium für junge Solisten“ im Tegernseer Barocksaal. Jedem Komponisten gab es eine eigene, auf sein Werk zugeschnittene dynamische Gestaltung, und aus dieser schöpften die vier sympathischen jungen Streicher die ganze Bandbreite aus. Gustav Frielinghaus, 1. Violine, Lena Wirth, 2. Violine, Lena Eckels, Viola, und Yves Sandoz, Violoncello, entfalteten von der ersten Note an ihr frisches, klangvolles, intensives und fröhliches Musizieren. Haydns Streichquartett G-Dur op.77/1 erblühte in gesanglichem Wohllaut, welcher besonders, nach dem lebendigen Allegro moderato, das sich im Ausdruck intensivierende Adagio charakterisierte. Fliegend bewegt erklang das Menuett und bissig marcato das freche Trio, dann lenkte das Amaryllis Quartett, keck vom auffordernd Kopfmotiv des Finale gelockt, mit Genuss in das treibende Tempo des Presto ein. Gespannt war man auf die Uraufführung im Barocksaal : erstmals kam ein Werk von Géza Frid hier zu Gehör. Die Musik des 1989 gestorbenen niederländischen Komponisten und Pianisten ungarischer Abstammung wurde dem Amaryllis durch einen befreundeten Musiker bekannt, seither hat es dessen Streichquartette lieben und schätzen gelernt, bis zur Gesamtaufnahme 2008 als Weltersteinspielung. Hörte man dem Streichquartett Nr.4 op.50a zu, schwebte immer eine Erinnerung an Bartoks Rumänischen Tänzen mit, dazu eine gute Portion Pathos und packender Rhythmen. Spannungsvolles Vibrieren, Pizzicato und Glissando gaben als Stilelemente dem Quasi improvvisando-Allegro marcato eine besondere Couleur, der 2.Satz dagegen vermittelte eine faszinierende Stimmung von Verlorenheit und Einsamkeit, jede einzelne Stimme nahm das Lamento auf, und führt es immer stringenter und intensiver, bis es sich mit einem Fragezeichen verabschiedete. Elektrisierend, in leichten, flirrenden Tönen gehalten, mal nervös tänzelnd, mal schmeichlerisch umgarnend, schnellte das Presto leggiero dahin, und ergänzte den Gesamteindruck einer Musik von außergewöhnlichem Charakter und Schönheit, voller Humor, Wehmut und Lebendigkeit. Komplett ausverkauft war in der Pause das CD Angebot des Quartetts, hier zeigte sich das große Interesse an der Musik Frids. Eine zusätzliche Qualität in seiner bisher ohnehin facettenreichen Dynamik erreichte das Amaryllis Quartett mit Beethovens „Harfenquartett“Es-Dur, op.74 und bestätigte überaus seine Auswahl durch den „Freundeskreis für die Förderung junger Musiker“ e.V. Erhaben gestaltete es den Beginn des bewegten Allegro, den Stolz die Symphonik und auch Tiefgründigkeit dieser Musik aufnehmend, dennoch im Pianobereich noch feinerer, ziselierterer Gestaltung fähig. Intensive Gesanglichkeit strömte im Adagio ma non troppo in leuchtendem As-Dur hervor, während das kunstliedhafte, ruhige Thema durch alle Stimmen wanderte. Energisch klangkräftig stürmten das Presto und die folgenden schnellen Sätze herein, von Fortissimo bis zu spannungsgeladenem Pianissimo, musizierte das Amaryllis Quartett mit gleicher innerer Bewegtheit und feurigem Temperament dieses bis hin zur rasanten kurzen Coda aufgepeitschte, pointierte Stück. Als Zugabe erklang das intensive Lento rubato aus Frids 1.Streichquartett und krönte somit ein hervorragendes Kammermusikkonzert . Marcus Vitolo

Ulli und Uwe Kai Stiftung